Olga Bontjes van Beek, Selbstbildnis mit Palette und Pinsel, 1939
Vor etwa 110 Jahren begannen sich nach den bereits in Fischerhude lebenden Malern auch Künstlerinnen dauerhaft in Fischerhude niederzulassen. Zu diesen gehörte Amelie Breling, die um 1913 ein Atelier für Bildhauerei und Keramik eröffnete. Weitere Malerinnen folgten wie Bertha Schilling (1911), Marie Fritsch (1920), Emma Eibler (1923) und Else Pauls (1930).
Fast alle stammten aus wohlhabenden Familien, so dass sie sich die kostspielige Ausbildung an Kunstgewerbeschulen oder privaten Instituten leisten konnten. Noch waren zu Beginn des Jahrhunderts Frauen zur Ausbildung an staatlichen Akademien nicht zugelassen. 1919 folgte die Bildhauerin Clara Rilke-Westhoff ihrem Bruder Helmuth Westhoff nach Fischerhude und ließ sich in der Bredenau in einem für sie errichteten Haus mit Atelier nieder. Auch die Malerinnen Schilling, Fritsch, Eibler und Pauls erbauten eigene Häuser, in denen sie lebten und arbeiteten und beeindruckende Werke schufen.
Emma Eibler beim Malen im Freien, Foto um 1910
Die meisten von diesen Künstlerinnen blieben nahezu unbekannt und hatten zeitlebens keine Gelegenheit zu Ausstellungen, da sie im Schatten ihrer männlichen Kollegen standen.
Als Autodidaktinnen schufen manche ein vielfältiges Œuvre.
Louise Modersohn geb. Breling begann erst nach ihrer Heirat mit Otto Modersohn unter seiner Anleitung zu malen.
Johanna Eißler, die Haushälterin von Otto Modersohn, traute sich, einen Pinsel in die Hand zu nehmen und widmete sich dem Malen von Blumenstillleben.
Olga Bontjes van Beek wandte sich nach dem Ende ihrer Laufbahn als expressionistische Tänzerin Mitte der 1920er Jahre auf Anraten des Malers Fritz Mühsam, der von ihrem großen künstlerischen Talent überzeugt war, der Malerei zu. Er riet ihr, erst nach zehn Jahren auszustellen. Sie folgte seinem Rat.
Ihre Tochter Mietje hingegen konnte als Künstlerin der nächsten Generation bereits auf eine fundierte Ausbildung zurückblicken und war nach Studienaufenthalten in den USA und Italien an Ausstellungen in verschiedenen deutschen Städten beteiligt.
In dieser Ausstellung wird an 10 Künstlerinnen der ersten Generation von in Fischerhude tätigen Malerinnen und Bildhauerinnen erinnert. Anhand ausgewählter Beispiele soll zudem ein Bezug zu Werken der zahlreichen heute hier lebenden kunstschaffenden Frauen hergestellt werden. In den Bereichen Skulptur, Malerei und Grafik bietet eine Gegenüberstellung von Damals und Heute überraschende Einblicke und Erkenntnisse.
Zu den Terrakottaskulpturen von Amelie Breling gesellen sich die archaisch anmutenden Raku-Keramikobjekte von Claudia Craemer und Amelies Majolikafiguren nehmen einen Dialog auf mit den Kleinplastiken aus Porzellan von Katharina Bertzbach.
In der Malerei werden die sommerlichen Blumensträuße von Johanna Eißler den Blumenstillleben der Malerin Tomma Leckner gegenübergestellt, während die selten gezeigten Pastell-Landschaften von Olga Bontjes van Beek ergänzt werden von den Radierungen Christa Brandenburgs.
Clara Rilke-Westhoff ist mit ihren Porträtbüsten, aber auch mit Aquarellen und Gemälden vertreten, die hier in ihrem Atelier in Fischerhude entstanden.
Im Giebel zeigt die seit fünf Jahren in Fischerhude lebende Künstlerin Anne Hermsen anlässlich ihres 90. Geburtstags unter dem Titel „Frühling – ein Fest für meine Seele“ Buchillustrationen, Stillleben, Aktstudien und Terrakottafiguren aus.